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Erinnerungen an Rainer Schnurre

Erinnerungen an Rainer Schnurre

von Lothar Flachmann

Dornach 2017:
„Alle Menschen verfĂŒgen von Geburt an ĂŒber die gleichen, unverĂ€ußerlichen Rechte und Grundfreiheiten.“

So, mit diesem Satz, beginnt die ErklÀrung der allgemeinen Menschenrechte. Aufgestellt von den Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948. Der erste Artikel lautet:
„Alle Menschen sind frei und gleich an WĂŒrde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der BrĂŒderlichkeit begegnen.“

So in etwa beginnt Rainer Schnurre in einer Kleingruppe bei einer Tagung zur Biografiearbeit. Dann sagt er, er findet es ungeheuerlich, so etwas geht nicht. Wie können Menschen ĂŒber etwas, was ihnen gegeben worden ist, per Gesetz bestimmen, und ein Gesetz kann geĂ€ndert werden, aber das, was von einer höheren Instanz auf der Erde gegeben worden ist, das darf man nicht fĂŒr sich in Anspruch nehmen und es dann noch mit Gesetzen regeln wollen.
Bei dieser Worldwide Biography Conference 2017 in Dornach sprach Rainer Schnurre auch ĂŒber die Ausstellung, die er in einem Raum im Goetheanum hatte, da ging es um „ich – du – wir“. Er machte auch FĂŒhrungen zu dieser Ausstellung. Da entwickelte sich von Bild zu Bild vom Ich zum Du zum Wir. Ich weiß nicht, ob in der Ausstellung der gesamte Bilderzyklus gezeigt wurde:
Der 42 Bilder umfassende Bilder-Zyklus zur ‚Dreigliederung des sozialen Organismus‘.
Was er am Ende der FĂŒhrung sagte, war, wir mĂŒssen uns nichts vormachen, wir können noch so viel ĂŒber diesen Weg sprechen, aber wir stehen erst am Anfang, erst wenn ‚wir‘ das Ich begriffen haben, können ‚wir‘ uns daran machen, das Du zu verstehen – und viel viel spĂ€ter das Wir. Aber so weit sind wir lange noch nicht.
Manchmal, in GesprĂ€chen ĂŒber die Biografie-Arbeit, wurde Rainer Schnurre laut, energisch, fast etwas aggressiv, und zwar dann, wenn Menschen, die von Biografie-Arbeit sprachen, von Klienten oder Klientinnen redeten. Dann sagt er, in der Biografie-Arbeit gibt es keine Klienten, Biografie-Arbeit kann nur auf einer Ebene stattfinden, sobald man von Klienten spricht und das auch so meint, hat man eine Hierarchie aufgebaut. Eine anthroposophisch orientierte Biografie-Arbeit kann so ĂŒberhaupt nicht beginnen, sie ist von vornherein gescheitert.
Eine Tagung der BVBA in Berlin. Es kommt zu irgendeiner Auseinandersetzung mit dem Vorstand und ich weiß nicht mehr mit wem. Da fĂ€hrt Rainer Schnurre sehr bestimmt hinein in die Auseinandersetzung und sagt, ist das immer noch nicht aufgearbeitet, es wird endlich Zeit, das hier einmal grĂŒndlich gearbeitet wird, hier steckt etwas drin, was hier nicht hingehört.
Irgendwann fand ich Rainer Schnurre nicht mehr als Mitglied bei der BVBA eingetragen. Ist er da irgendwann ausgestiegen? Und aus welchem Grund?
Schickte ich BeitrĂ€ge ein fĂŒr die Zeitschrift „Biografie Arbeit“, so hat die folgende Zusammenarbeit immer Freude gemacht und Mut, etwas auszuprobieren: Es gab niemals den Hinweis, dass und das musst du dir noch mal ĂŒberlegen. Er hatte das Vertrauen, dass das, was ich einreichte, ehrlich gemeint war. Alles, was ich eingereicht hatte, wurde uneingeschrĂ€nkt veröffentlicht.
Bei der Worldwide Biography Conference bei Dresden, 2015, hatte er einen BĂŒcher Stich im BĂŒchertisch aufgebaut, das hat er auch bei anderen großen Veranstaltung. In den Pausen war dort zu treffen. Zum Ende hin der Konferenz, Finke an einzupacken. Er freute sich immer, wenn er viele BĂŒcher und Hefte verkauft hatte, sagte er, dann brauche ich nicht mehr so viel ins Auto packen. Ich hatte ihn wahrscheinlich da gefragt, ob ich ihm helfen solle, sagte er. Es geht schon, das meiste habe ich schon eingerĂ€umt. Er fuhr so ein kleines Auto. Ich habe mich gewundert, wer das alles transportiert hat.
Bei dieser Konferenz (auf Gut Frohberg) 2015 hatte ich mit einem Kollegen, ich meine aus Ungarn, am Anfang und ziemlich am Ende so etwas wie eine Moderation im großen Saal gemacht. Es gab zwischen uns manchmal VerstĂ€ndigungsschwierigkeiten aufgrund der unterschiedlichen Sprachen. Mit diesen VerstĂ€ndigungsschwierigkeiten fingen wir bald etwas an zu spielen und wir verstanden uns plötzlich auf einer Ebene, es war die Ebene des Humors. Viele im Saal haben gelacht, es gab aber auch ernste Gesichter dabei – wie kann man auf so einer Konferenz herzhaft lachen? Einige Zeit spĂ€ter öffnete Rainer Schnurre, da lebt er noch in der Einrichtung Schloss Hamborn, die TĂŒr. Er gab mir die Hand und sagte, jetzt habe ich deinen Humor verstanden, das war gut und weiter so.